Erinnerungen an den Widerstand: Ingrid Schaeffer-Rahtgens erzählt
Erinnerungen an den Widerstand: Ingrid Schaeffer-Rahtgens erzählt
Köln, Deutschland - Ingrid Schaeffer-Rahtgens, 85 Jahre alt, ist eine Frau mit einer bewegten Lebensgeschichte, die sie in einem Gespräch mit Susanne Hengesbach in einem Kölner Café offenbarte. Am 30. August 1944, also vor 81 Jahren, wurde ihr Vater, Carl Ernst Rahtgens, in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Der Grund für seine Todesstrafe war seine aktive Rolle im Widerstand gegen das NS-Regime, insbesondere seine Beteiligung an den Umsturzbestrebungen des 20. Juli, die ein Attentat auf Adolf Hitler planten. Ingrid hatte ihren Vater nur vier Jahre lang, doch die Erinnerungen an ihn sind für sie von großer Bedeutung.
Die Verbindung zu ihrem Vater beschreibt sie als sehr eng. Carl Ernst Rahtgens war nicht nur ein Neffe von Feldmarschall Günther von Kluge, sondern auch ein Mann, der ein tiefes christliches Werteverständnis hatte. Ingrid erinnert sich an ihn als „fröhlichen, christlichen und lustigen Menschen“. Trotz der Trauer um den Verlust hat sie ihr Leben geprägt auch durch das Engagement für die klassische Musik, wo sie die Konzertreihe „Klänge der Stadt“ in Bergisch Gladbach organisiert. Dies beweist, dass ihr Vater auch über seinen frühen Tod hinaus einen Einfluss auf ihr Leben ausübt.
Der Widerstand und die Konsequenzen
Die Tragödie nahm ihren Lauf, als die Gestapo im September 1944 ihrer Mutter das Todesurteil überbrachte und zugleich eine Beschlagnahmeverfügung erließ. Von diesem Moment an standen Ingrid und ihre Geschwister unter Sippenverfolgung. Es war eine psychische Belastung, die von Demütigungen in der Schule begleitet wurde. Ingrid fühlte den Stigma, die Tochter eines „Vaterlandsverräters“ zu sein, was das Aufwachsen in Deutschland während der Naziherrschaft zusätzlich erschwerte. Sie sieht das „Widerständige“ als fester Bestandteil ihres Lebens und nimmt regelmäßig an Gedankfeiern zum 20. Juli teil, die für sie wie eine große Familie geworden sind.
Beim Gedenken an die gewaltige Gräueltat, die ihrem Vater und vielen anderen Widerstandskämpfern widerfahren ist, äußert Ingrid Bedenken über eine zunehmende Gleichgültigkeit in der Gesellschaft. Für sie ist Zivilcourage nicht nur eine Abstraktion, sondern eine Notwendigkeit. Ingrid wünscht sich eine Umbenennung des 20. Juli zum „Internationalen Tag des Widerstands“, um die Erinnerung an die tapferen Männer und Frauen, die sich gegen das Unrecht auflehnten, lebendig zu halten.
Die Biografie von Carl Ernst Rahtgens
Carl Ernst Rahtgens wurde am 27. August 1908 geboren und hatte eine beeindruckende militärische Karriere vor seiner Festnahme. Als Offiziersanwärter trat er 1928 in ein Potsdamer Infanterieregiment ein. Seine Militärkarriere führte ihn durch verschiedene Stationen, bis er schließlich1942 als Oberstleutnant im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in Ostpreußen diente. Es ergebe sich eine besondere Freundschaft mit Günther Smend, in der sie die aktuelle Kriegssituation besprachen. Doch war das Regime nicht bereit, Andersdenkende zu tolerieren. Rahtgens wurde am 30. August 1944, dem Tag seiner Hinrichtung, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, nachdem er bereits in Belgrad von der Gestapo verhaftet worden war.
Ingrid erinnert uns an die Bedeutung des Widerstands gegen Unrecht und an die Menschen, die auf der Seite der Zivilcourage standen, in einer Zeit großer Gefahren. Sie sieht sich nicht nur als Tochter eines Widerstandskämpfers, sondern als Teil einer fortdauernden Bewegung, die dem kollektiven Vergessen entgegenwirkt.
In einer Gesellschaft, die oft von Gleichgültigkeit geprägt ist, fordert Ingrid ein Bewusstsein für die Werte, die letztlich die Grundlage unserer Demokratie bilden. „Wenn er schon nicht lebt, muss ich die Faust hochhalten“, sagt sie abschließend – ein starker Appell, den auch Hengesbach in ihrem Interview aufgenommen hat.
Die Berichte über Carl Ernst Rahtgens und die Geschichten rund um den Widerstand laden uns ein, über Zivilcourage und die Erinnerungen an verstorbene Widerstandskämpfer nachzudenken und auf die Gefahren des Vergessens aufmerksam zu machen – eine Mahnung, die heute mehr denn je von Relevanz ist.
Kölnische Rundschau, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Bundeszentrale für politische Bildung
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Ort | Köln, Deutschland |
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