Torgau plant neues Einkaufszentrum: Chance oder Bedrohung für die Altstadt?

In Torgau plant die Grundbesitz Anhalt GmbH ein Nahversorgungszentrum. Kritiker warnen vor Verdrängung, Befürworter sehen Chancen.
In Torgau plant die Grundbesitz Anhalt GmbH ein Nahversorgungszentrum. Kritiker warnen vor Verdrängung, Befürworter sehen Chancen. (Symbolbild/NAG)

Torgau, Deutschland - In Torgau, Nordsachsen, zieht ein geplantes Nahversorgungszentrum in der ehemaligen Papierfabrik an der Naundorfer Straße Aufmerksamkeit auf sich. Die Grundbesitz Anhalt GmbH aus Lützen hat einen dreigeschossigen Bau beantragt, der im Erdgeschoss zwei große Supermärkte, darunter Aldi und Edeka, sowie mehrere Fachgeschäfte, eine Tagespflegeeinrichtung, Arztpraxen, Gastronomie und Wohnungen beherbergen soll. Dieses Vorhaben zieht jedoch Widerstand hervor, da Kritiker einen möglichen Verdrängungswettbewerb für kleine Einzelhändler in der Altstadt befürchten. Eine Online-Petition auf der Plattform openPetion hat bereits rund 570 Unterschriften innerhalb der ersten vier Tage gesammelt, während in zahlreichen Innenstadtgeschäften Papierlisten zur Unterschriftensammlung ausliegen.

Die Befürworter des Projekts sehen sich als Verteidiger einer positiven städtebaulichen Entwicklung. Sie argumentieren, dass die Nutzung der belasteten Industriebrache als Nahversorgungszentrum eine hilfreiche Alternative zur ursprünglich geplanten gewerblichen Nutzung darstellt. Zudem betonen sie den Bedarf an altersgerechtem Wohnraum in der Stadt, der durch dieses Projekt gedeckt werden könnte.

Soziale Herausforderungen in Torgaus Nordwestviertel

Ein weiteres Thema, das Torgau prägt, ist die angespannte soziale Lage im Stadtteil Nordwest. Laut einem Policy Paper des EFBI, das von Dominik Intelmann und Andre Schmidt verfasst wurde, gilt dieses Viertel als „sozialer Brennpunkt“. Es zeigt desintegrative Tendenzen und ist von sozialen Konflikten, wie nächtlichen Ruhestörungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen, geprägt. Diese Konflikte werden auch mit dem Zuzug von Arbeitsmigranten aus Osteuropa in Verbindung gebracht.

Die Autoren des Berichts fordern eine verstärkte Intervention, um soziale Härten abzumildern und den Zusammenhalt im Sozialraum zu stärken. Ziel ist es, den Anwohnern, insbesondere Migranten, zu helfen, an den sozialen und wirtschaftlichen Prozessen in der Stadt teilzuhaben. Gleichzeitig wird angemerkt, dass die Problembearbeitung oft zur Kulturalisierung sozialer Probleme tendiere und die Maßnahmen somit nicht immer effektiv sind.

Entwicklungen auf sozialer Ebene

Ein Blick auf die sozialen Entwicklungen in Torgau zeigt Erholungseffekte nach der Corona-Pandemie und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Berichten zufolge sank die Arbeitslosenquote nach dem SGB II von 5,3 % im Jahr 2020 auf 4,6 % im Jahr 2022. Auch die Kinderarmut ging von 26,9 % auf 24,5 % zurück. Ein wesentlicher Anteil der Kinder lebt in Alleinerziehendenhaushalten, was besondere Aufmerksamkeit in den sozialen Maßnahmen erfordert.

Der soziale Zusammenhalt in der Stadt steht vor Herausforderungen, insbesondere im Nordweststadtteil, der als exemplarisch für ähnliche Brennpunkte in Deutschland angesehen wird. Die gezielte Beobachtung und Förderung solcher Gebiete ist entscheidend, um positive Trends langfristig zu sichern.

In diesem Kontext ist das geplante Nahversorgungszentrum ein Teil eines größeren städtebaulichen Plans, der sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Während einige Initiativen und Bürger für eine Aufwertung des Stadtteils kämpfen, darf die potenzielle Benachteiligung bestehender Händler nicht außer Acht gelassen werden.

Für Torgau bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklungen weiter gestalten und ob die geplanten Projekte die gewünschten sozialen Verbesserungen mit sich bringen können.

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Ort Torgau, Deutschland
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