Gericht kippt Abschiebung: Deutschland verletzt EU-Recht bei Asylfällen

Ein deutsches Gericht entschied, dass drei somalische Asylbewerber rechtswidrig an der Grenze zu Polen abgeschoben wurden.
Ein deutsches Gericht entschied, dass drei somalische Asylbewerber rechtswidrig an der Grenze zu Polen abgeschoben wurden. (Symbolbild/NAG)

Frankfurt an der Oder, Deutschland - Ein Berliner Gericht hat entschieden, dass Deutschland gegen EU-Recht verstoßen hat, als es drei somalische Staatsangehörige an der Grenze zu Polen abschob. Dieses Urteil, das am 2. Juni 2025 veröffentlicht wurde, stellt einen bedeutenden Präzedenzfall in der aktuellen Migrationspolitik dar. Die somalischen Asylbewerber, darunter zwei Männer und eine Frau, waren von der Grenzpolizei am Bahnhof in Frankfurt an der Oder abgewiesen worden. Das Gericht stellte fest, dass die Entscheidungen der deutschen Behörden, die auf der Annahme beruhen, die Asylbewerber kämen aus einem „sicheren Drittland“, rechtswidrig waren, da Deutschland verpflichtet ist, die Asylanträge zu bearbeiten. Das Urteil wirft neue Fragen zu den Praktiken und Richtlinien der Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz auf, der eine aggressive Migrationspolitik verfolgt, die kürzlich in einer neuen Richtlinie mündete.

Das Gericht entschied, dass die Abschiebung gegen die Dublin-Verordnung verstößt. Diese Verordnung regelt, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist und gilt für alle EU-Länder sowie Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz. Laut der Dublin III-Verordnung, die seit 2003 in Kraft ist, muss jeder Asylantrag in dem Mitgliedstaat geprüft werden, in dem der Antragsteller erstmals registriert wurde. In dieser spezifischen Angelegenheit wurde festgestellt, dass Deutschland dies nicht eingehalten hat, was zu der Feststellung führte, dass die Ablehnung der Anträge rechtlich ungültig war. Das Verfahren sieht zudem vor, dass bei einem nicht fristgerechten Abschluss der Überstellung die Zuständigkeit auf Deutschland übergeht, was in diesem Fall relevant ist.

Kritik an der Asylpolitik

Die Entscheidung wurde sowohl von Befürwortern als auch von Kritikern der Asylpolitik aufgegriffen. Innenminister Alexander Dobrindt verteidigte die Maßnahmen der Bundesregierung und erklärte, das Asylsystem sei unter Druck gescheitert. Oppositionspolitiker, wie Irene Mihalic von den Grünen, bezeichneten das Urteil jedoch als eine „schwere Niederlage“ für die Regierung Merz. Karl Kopp von Pro Asyl kritisierte die Abschiebung als eine „rechtswidrige Praxis nationaler einseitiger Maßnahmen“ und forderte die Rückkehr der Somalis nach Deutschland.

Die Praxis, Asylbewerber an den deutschen Grenzen abzuweisen, steht auch im Kontext der reformierten Asylgesetzgebung in Europa. Im Mai 2025 stellte die Europäische Kommission einen Mechanismus vor, der es den Mitgliedstaaten ermöglichen würde, Asylbewerber abzulehnen, die durch ein „sicheres“ Drittland gereist sind. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass Länder wie Ungarn und Polen häufig die Aufnahme von Asylsuchenden verweigern und dadurch die Dublin-Verordnung untergraben, indem sie Schutzsuchende unter prekären Bedingungen zurücklassen.

Der Hintergrund der Dublin-Verordnung

Die Dublin-Verordnung ist ein zentrales Element des europäischen Asylsystems, das darauf abzielt, Sekundärwanderungen innerhalb der EU einzudämmen. Diese Regelung verpflichtet Ländern, die um Asyl bitten, dazu, innerhalb von sechs Monaten eine Entscheidung über die Zuständigkeit zu treffen. Die Herausforderung liegt darin, dass viele Mitgliedstaaten, insbesondere im Hinblick auf die steigenden Flüchtlingszahlen, Schwierigkeiten haben, diese Verpflichtungen zu erfüllen. Zudem können Zweifel an Sozialstandards in anderen EU-Ländern auch dazu führen, dass die Dublin-Verordnung ausgesetzt wird, da viele Geflüchtete von Gewalt und mangelhaften Bedingungen in Ländern wie Italien, Griechenland oder Polen berichten.

Die Situation wird durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die im April 2024 beschlossen wurde, zusätzlich kompliziert. Diese Reform sieht verpflichtende Grenzverfahren vor, die unter Haftbedingungen durchgeführt werden sollen, was zu Bedenken hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechtsstandards führt. Der neue Pakt für Migration und Asyl, der beschrieben wird, könnte potenziell dazu beitragen, die Rechtsstandards weiter zu senken und Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Eine solche Entwicklung könnte die Bedingungen für Asylbewerber in Europa weiter verschlechtern, während das Gerichtsurteil in Deutschland einen möglichen Wendepunkt in dieser Diskussion signalisiert.

Die rechtlichen Implikationen dieses Urteils und die Reaktionen darauf sind richtungsweisend für die zukünftige Migrationspolitik nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa im Allgemeinen. In Anbetracht der Herausforderungen, vor denen die Regierungen stehen, könnte dieses Urteil einen bedeutenden Einfluss auf die politische Diskussion über Asyl und Migration im kommenden Jahr haben.

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Ort Frankfurt an der Oder, Deutschland
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