Schuster: Antisemitismus-Bedrohung wächst, Deutschlands Rhetorik muss sich ändern!

Schuster: Antisemitismus-Bedrohung wächst, Deutschlands Rhetorik muss sich ändern!

Frankfurt (Oder), Deutschland - In einem aufschlussreichen Interview mit der FAZ hat Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die jüngsten Äußerungen von Außenminister Johann Wadephul (CDU) scharf kritisiert. Wadephul sprach von einer überfälligen „Zwangssolidarität“ der deutschen Außenpolitik gegenüber Israel, ein Ausdruck, den Schuster als klare „Entgleisung“ bezeichnet. Schuster zeigt sich besorgt über die sich verändernde Tonlage der deutschen Außenpolitik, insbesondere nach dem jüngsten Dreiertreffen von Österreich, Deutschland und Israel in Wien.

Diese Diskussion ist vor dem Hintergrund eines zunehmenden Antisemitismus in Deutschland zu betrachten, der seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 verstärkt zutage tritt. In den letzten Jahren haben antisemitische Vorfälle, auch in sozialen Netzwerken, stark zugenommen. So dokumentierten Berichte des Zentralrats der Juden, dass Aggressionen gegen jüdische Menschen von verschiedenen politischen Spektren aus ausgehen und viele jüdische Bürger in Deutschland Angst vor Schikane und Ausgrenzung haben.

Antisemitismus und öffentliche Wahrnehmung

Schuster warnt zudem vor einem gefährlichen Phänomen: Das Infragestellen des Existenzrechts Israels überschreitet die Grenze legitimer Kritik. In diesem Zusammenhang kritisiert er absurde Vergleiche zwischen den Geschehnissen im Gazastreifen und dem Völkermord von Srebrenica. Das zeigt, dass antisemitische Ressentiments in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor stark verankert sind, trotz dem kritischeren Blick auf offene antisemitische Äußerungen in den letzten Jahrzehnten.

Verblüffend ist auch die Erkenntnis, dass selbst Menschen, die nach 1945 geboren wurden, antisemitische Ansichten vertreten. Eine Umfrage der Europäischen Grundrechteagentur zeigt, dass über 90 Prozent der befragten Juden in Deutschland Angst vor Antisemitismus haben, und zwei Drittel der Deutschen erkennen das Problem an. Schuster fordert ein Umdenken und mehr Engagement in der Bildung, um bereits im Kindergarten mit der Auseinandersetzung über Judentum und den Holocaust zu beginnen.

Die Rolle der sozialen Netzwerke

Ein weiterer Aspekt, den Schuster anspricht, ist die Verantwortung der sozialen Medien. Die Anonymität, die Online-Plattformen bieten, ist ein großes Problem für die Verbreitung von Hass. Schuster beklagt auch, dass antisemitische Äußerungen im Rahmen der Meinungsfreiheit oft unzureichend geahndet werden. So erwähnt er einen Fall, bei dem ein Polizist antisemitische Äußerungen in einem privaten Chat tätigte und die gerichtliche Reaktion darauf als unverständlich empfindet.

Antisemitismus zeigt sich nicht nur in extremeren politischen Strömungen wie dem Rechtsextremismus oder dem Islamismus, sondern hat auch in bestimmten Bereichen der Linken und der Mitte der Gesellschaft Fuß gefasst. Dies wird als alarmierend wahrgenommen, insbesondere da offener Verbalantisemitismus in sozialen Medien zunehmend salonfähig wird und sich über die letzten Jahre mobilisiert hat.

In Anbetracht dieser besorgniserregenden Entwicklungen ist es notwendig, antisemitische Stereotype aktiv zu erforschen und zu bekämpfen. Schuster hat klare Vorstellungen von den Maßnahmen, die er für erforderlich hält: Neben einem besseren Bildungsansatz sieht er auch die Durchführung von Gesprächen über das Judentum und die Schoa als essenziell. Humor wird in seinen Augen zur Waffe gegen Antisemitismus.

In Bezug auf die Zukunft ist Schuster optimistisch: Anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Zentralrats blickt er auf bedeutende Meilensteine der Organisation zurück, wie das Bekenntnis zum jüdischen Leben in den 1970er Jahren. Es wird ein neues, unabhängiges Rabbinerseminar mit der Nathan Peter Levinson Stiftung geplant, nachdem es Vorwürfe gegen den Leiter des Abraham Geiger Kollegs gegeben hat. Auch wünschen sich Schuster und sein Team eine mögliche Zusammenführung des Geiger-Kollegs mit dem neuen Seminar.

Der Weg ist noch lang, aber das Vordringen gegen Antisemitismus in Medien und Gesellschaft bleibt auf der Agenda. Antisemitismus darf nicht länger unter den Deckmantel der Meinungsfreiheit geschoben werden, und es liegt an uns allen, für eine respektvolle und empathische Gesellschaft einzutreten.

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OrtFrankfurt (Oder), Deutschland
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