Neuanfang in der Provinz: Queeres Leben im 900-Seelen-Dorf
Neuanfang in der Provinz: Queeres Leben im 900-Seelen-Dorf
Mecklenburgische Seenplatte, Deutschland - Christian Krüger, ein Kölner aus Berlin, wagt den Schritt ins Ungewisse: Zusammen mit seinem Verlobten Jens zieht er in ein beschauliches 900-Seelen-Dorf in Mecklenburg. Ein mutiger Entschluss, vor allem wenn man bedenkt, dass es weniger Einwohner hat als die Straße, in der das Paar zuvor lebte. Der Umzug ist nicht nur geografisch eine große Herausforderung, sondern auch ein emotionaler Neuanfang. Krüger möchte das Familienhaus „Erbkrug“ übernehmen. Das alte Gebäude ist mehr als ein Haus; es war früher ein Konsum, der seit 30 Jahren als Gaststätte betrieben wird und in der Familie Krügers seit über sechs Generationen verwurzelt ist. Doch wie schlägt sich ein queeres Paar im ländlichen Raum?
Der Empfang im Dorf war insgesamt positiv, so berichtet Krüger. „Die Dorfbewohner haben sich offen gezeigt“, erzählt er. Dennoch gibt es eine dunkle Seite, die in der ländlichen Idylle lauert: Wachsende Aggression gegenüber queeren Menschen ist spürbar. Krüger selbst hat in der Großstadt Berlin schmerzhafte persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht, etwa mit Bespuckungen und Eierwürfen während des Christopher Street Day (CSD) in Neustrelitz. Diese Vorfälle werfen einen Schatten auf seine Hoffnungen für ein ruhiges Leben in der Provinz.
Die Realität für queere Menschen im ländlichen Raum
Doch Christian Krüger ist nicht alleine mit seinen Erfahrungen. Auch der homosexuelle David Muniz-Hernandez, der im ländlichen Raum lebt, hat ähnliche Geschichten zu erzählen. Aus seiner eigenen Jugend sind ihm Diskriminierung und Ausgrenzung gut bekannt. Mit 15 Jahren wurde er aufgrund seiner sexuellen Orientierung von seinen Eltern in Mexiko rausgeworfen und erlebte eine Zeit ohne festen Wohnsitz. Muniz-Hernandez engagiert sich jetzt in einem Forschungsprojekt an der Hochschule Fulda, das die Lebensrealitäten queerer Menschen im ländlichen Raum beleuchtet.
In der Ausstellung „Queere Worte – Queere Orte“, die kürzlich eröffnet wurde, wird deutlich, wie vielfältig die Erfahrungen sind, die queere Menschen machen müssen. Die Ausstellung, die bis zum 17. Februar zu sehen sein wird, zeigt Fotografien und biografische Interviews, die die Thematik aufgreifen. Professorin Carola Bauschke-Urban, die das Projekt leitet, betont, wie wichtig es ist, queeres Leben in ländlichen Regionen besser zu verstehen und anzuerkennen. Ein zentraler Punkt: Vielen queeren Menschen fehlt es an Sichtbarkeit und Treffpunkten im ländlichen Raum, was dazu führt, dass sie ihre Identität oft verstecken müssen.
Ein Lichtblick in der Dunkelheit
Um diesen Mangel an Vernetzung zu überwinden, hat Christian Krüger in seinem neuen Heimatdorf einen Verein für queere Menschen ins Leben gerufen. Ziel ist es, den Austausch zu fördern und vor allem queeren Jugendlichen Mut zu machen, sich zu outen und ihre Identität stolz zu leben. „Niemand sollte sich entmutigen lassen“, sagt Krüger und ermutigt seine Mitmenschen, die negativen Erfahrungen hinter sich zu lassen und sich als Teil einer größeren Gemeinschaft zu sehen.
Die Situation in ländlichen Gebieten bleibt herausfordernd, nicht zuletzt, weil die Zahl queerfeindlicher Gewalttaten, wenn auch auf niedrigem Niveau, in Hessen gestiegen ist. Doch der Wille zur Veränderung und Sichtbarkeit ist stark. Initiativen wie die „queere Stunde“ in Fulda, die über 600 Teilnehmer in drei Jahren anlockte, zeigen, dass es einen Bedarf an Gemeinschaft und Austausch gibt. In einer Welt, die oft nicht bereit ist, Unterschiede zu akzeptieren, ist es umso wichtiger, sich zu bündeln und Unterstützung zu suchen.
Die Geschichten von Christian Krüger und David Muniz-Hernandez sind nur zwei von vielen, die zeigen, wie vielfältig das Leben als queere Person in ländlichen Regionen Deutschlands ist. Die Herausforderungen sind groß, aber mit Mut, einem starken Netzwerk und der richtigen Unterstützung kann Veränderung gelingen.
[rbb24] berichtet, dass … Hier geht’s zum Artikel. In Hessen ist die Situation ähnlich, wie hessenschau.de beschreibt: Mehr Informationen findet ihr hier.Details | |
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Ort | Mecklenburgische Seenplatte, Deutschland |
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