Kneipensterben in Deutschland: Wo bleibt die Kultur des Zusammenkommens?

Professor Martin Franz analysiert das Kneipensterben in Deutschland und die Auswirkungen von Corona sowie veränderten Trinkgewohnheiten.
Professor Martin Franz analysiert das Kneipensterben in Deutschland und die Auswirkungen von Corona sowie veränderten Trinkgewohnheiten. (Symbolbild/NAG)

Köln, Deutschland - In Deutschland ist ein bemerkenswerter Rückgang der traditionellen Kneipen zu verzeichnen. Laut Remszeitung ist die Anzahl der Kneipen in den letzten zehn Jahren von über 31.000 auf rund 21.000 gesunken. Martin Franz, Professor für Humangeografie an der Universität Osnabrück, führt diesen Rückgang auf eine Vielzahl von Faktoren zurück, die das Freizeitverhalten der Menschen verändert haben. Dazu zählen eine zunehmende Nutzung von Streamingdiensten, das Internet und Smartphones, die dazu führen, dass viele ihre Abende lieber zu Hause verbringen.

Die COVID-19-Pandemie hat die Lage noch verschärft, da viele kleine Betriebe während des Lockdowns in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Ein Rückgang des Alkoholkonsums ist ebenfalls zu beobachten: der durchschnittliche Bierkonsum pro Kopf ist von 106 Litern im Jahr 2013 auf 88 Liter im Jahr 2023 gesunken. Dieser trenduelle Wandel wird von Deutschlandfunk Nova bestätigt, der zusätzlich auf steigende Lebenshaltungskosten und Mieten hinweist, die viele Kneipen in ihrer Existenz bedrohen.

Die Veränderungen der Kneipenkultur

Trotz der Herausforderungen gibt es auch positive Beispiele von Kneipen, die innovative Konzepte umgesetzt haben. Die Kneipe Lotta in Köln etwa, betrieben von einem Kollektiv, hat es verstanden, mit ihrem Angebot bestehende und neue Gäste zu überzeugen. Traditionelle Veranstaltungen wie Bingo-Abende und Tanzveranstaltungen haben zur Kundenbindung beigetragen. Zudem eröffnete Lotta einen Biergarten, der zur finanziellen Stabilität des Lokals beiträgt.

Franz berichtet auch von der veränderten Erwartungshaltung der Gäste: Kneipen bieten heute mehr Platz und eine vielfältige Speisekarte. Die Zukunft der Kneipen könnte in der Eventisierung der Angebote liegen—vom Pubquiz bis hin zu Live-Musik. In diesem Kontext ist die Reinheit des Biergenusses, die im Deutschen Reinheitsgebot von 1516 festgelegt wurde, nach wie vor von großer Bedeutung. Kneipen bieten damit nicht nur Getränke, sondern sind auch Kulturträger, die in Deutschland einen hohen Stellenwert genießen.Die Faktenseite hebt hervor, dass die Kneipenkultur tief in der deutschen Geschichte verwurzelt ist und seit Jahrhunderten als sozialer Treffpunkt dient.

Sozialer Zusammenhalt durch Kneipen

Die soziale Funktion der Kneipe bleibt unverändert. Kneipen fördern den sozialen Zusammenhalt, indem sie einen Raum für verschiedene Altersgruppen und soziale Schichten bieten. Der demographische Wandel stellt allerdings Herausforderungen bei der Ansprache jüngerer Kunden dar. Die Studie von Franz zeigt, dass eine Kneipe ein Ort sein sollte, an dem Menschen unabhängig von Herkunft oder politischen Standpunkten zusammenkommen können.

Zusammenfassend steht die deutsche Kneipenkultur vor großen Umbrüchen, doch zahlreiche innovative Ansätze könnten helfen, diese Tradition in das 21. Jahrhundert zu übertragen. Der Fokus auf Offenheit, Inklusivität und nachhaltigen Konsum sind dabei entscheidende Faktoren für das Überleben dieser sozialen Einrichtungen. Traditionsreiche Kneipen und neue Konzepte könnten sich gegenseitig ergänzen und eine nachhaltige Zukunft fördern.

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Ort Köln, Deutschland
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