Schüler lehnen Synagogenführung ab – Was sagt das über unsere Jugend?
Schüler lehnen Synagogenführung ab – Was sagt das über unsere Jugend?
Görlitz, Deutschland - In Görlitz gibt es besorgniserregende Entwicklungen in der schulischen Bildung und der Auseinandersetzung mit der Geschichte. Die 80-jährige Lehrerin Ilse Schleicher, die seit ihrem Ruhestand vor 20 Jahren mit leidenschaftlichen Führungen durch die Görlitzer Synagoge arbeitet, beobachtet einen deutlichen Rückgang des Interesses bei Jugendlichen. Dies gab sie in einer Berichterstattung der Sächsischen zu Protokoll. Insbesondere bei einer kürzlich durchgeführten Führung fehlte ein Drittel der Schüler einer siebenten Klasse aus Brandenburg, weil deren Eltern den Ausflug nicht genehmigten. Schleicher führt dies auf die politischen Ansichten und das Weltbild im Elternhaus zurück, was ihre Besorgnis weiter verstärkt.
Die Görlitzer Synagoge wurde 2021 nach umfangreichen Sanierungsarbeiten, die durch den Förderverein Görlitzer Synagoge seit seiner Gründung 2004 unterstützt wurden, wiedereröffnet. Als eine der wenigen Synagogen, die die Pogromnacht 1938 überstanden hat, ist sie ein bedeutsamer Ort der Erinnerung und damit auch eine wichtige Anlaufstelle für Schulen. Trotz der Herausforderungen, die mit dem Rückgang des Interesses bei Jugendlichen einhergehen, möchte Schleicher weiterhin Führungen anbieten und sieht dies als notwendig an. Sie kritisiert zudem, dass im Lehrplan der neunten Klasse dem Holocaust nur wenig Raum zuteilgeworden ist.
Rechtsextremismus und Schulbildung
Der Vorfall an der Görlitzer Scultetus-Oberschule, bei dem vier Schüler eine rechtsextreme Geste vor dem Tor des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zeigten, wirft ein weiteres Licht auf die aktuelle Problematik. Laut einem Bericht von MDR posierten die Neuntklässler mit einer sogenannten „White-Power“-Geste, die häufig in rechtsextremen Kreisen verwendet wird. Die Schule reagierte umgehend mit Gesprächen und einem Schulleitungsverweis für die beteiligten Schüler, die zudem Sozialstunden in einer Behindertenwerkstatt ableisten müssen.
Der Soziologe Johannes Kiess beobachtet einen „Neonazi-Trend“ unter Jugendlichen, insbesondere in Schulen, was die Thematik umso drängender macht. Solche Geschehnisse sind im Vergleich zur hohen Besucherzahl der Gedenkstätten selten, doch ebenso schockierend und verletzend an Orten, an denen während des Zweiten Weltkriegs Millionen von Menschen ihr Leben verloren haben. Ein Sprecher der Gedenkstätte äußerte, dass solche Gesten an einem solch historischen Ort besonders schmerzhaft sind, was die Notwendigkeit von Aufklärung und Sensibilisierung unterstreicht.
Präventionsmaßnahmen und deren Wirkung
Wie die Gerda-Henkel-Stiftung in ihrer Analyse betont, ist die historisch-politische Bildung ein zentrales Element im Kampf gegen Rechtsextremismus. Die Diskussion über die Wirksamkeit von Gedenkstättenbesuchen zeigt, dass es zwar bedeutende Erwartungen an die Aufklärung gibt, diese jedoch nicht immer zu einer Reduzierung von Rechtsextremismus führen. Historisch-politische Bildung kann Gesprächsanlässe schaffen, aber die Verbindung zwischen Wissen über die Geschichte und dem Kampf gegen aktuelle rechtsextreme Tendenzen bleibt komplex und nicht immer gegeben.
Der Umgang mit diesen Themen in Schulen, wie die Vorfälle in Görlitz zeigen, bedarf daher einer grundlegenden Überprüfung der Lehrpläne und der Erziehungskonzepte, um zukünftigen Generationen ein differenziertes Geschichtsbewusstsein zu vermitteln. Die Arbeit von Lehrer:innen wie Ilse Schleicher ist hierbei unerlässlich, um Jugendliche für die Geschichte und die Folgen von Diskriminierung und Extremismus zu sensibilisieren.
Details | |
---|---|
Ort | Görlitz, Deutschland |
Quellen |
Kommentare (0)