100 Jahre Günter Sass: Erinnerungen an Prügelstrafen in Barther Schulen
Günter Sass, 100 Jahre alt, erinnert sich an Prügelstrafen in Barther Schulen der 1930er Jahre und seine schmerzhafte Schulzeit.

100 Jahre Günter Sass: Erinnerungen an Prügelstrafen in Barther Schulen
Am 28. Oktober 2025 feiert Günter Sass seinen 100. Geburtstag und lässt die Schatten seiner Schulzeit in Barth aufleben. Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen als Sohn des Schlossers Karl und seiner Frau Grete, erinnert sich der Jubilar an eine Zeit, in der Prügelstrafen in Schulen weit verbreitet waren. Die Einschulung im Jahr 1932 in die Knabenschule am Bleicherwall war für ihn ein prägendes Erlebnis, u.a. weil er als einer von 40 Jungen gleich zu Beginn mit strengen Regeln und Sanktionen konfrontiert wurde.
Wie in der Ostsee-Zeitung berichtet, waren geringste Vergehen in der Schule Anlass für Prügelstrafen, vor allem für Kinder aus einfachen Verhältnissen. Und während Söhne reicher Familien oft ungestraft davonkamen, bekam Sass aufgrund eines leisen „Aua“ nach einem Splitter in der Hand sowie einem Vorfall im Schwimmunterricht oft die Hand des Lehrers zu spüren.
Die Lehre und das Erwachsenwerden
Nach der 8. Klasse begann für den jungen Mann eine Lehre als Flugzeugbauer in den Bachmann-Werken. Die Lehrwerkstatt am Hindenburgplatz war ein Ort, wo neben dem Handwerk auch andere Werte vermittelt wurden. Während der Ausbildung erlebte Sass keine Prügel mehr, aber auch hier kam es zur unterschiedlichen Behandlung durch den Berufsschullehrer. Gemeinsam mit anderen Lehrlingen trat er der Flieger-HJ bei, wo das Segelfliegen in Alt Reddevitz/Rügen auf dem Programm stand.
Mit dem Ende seiner Lehre 1942 wartete die Front auf hochqualifizierte Kräfte. Ein Führererlass öffnete den Weg auch für Nichtabiturienten, an die Offizierslaufbahn zu gelangen. Sass erlangte die Fachhochschulreife und absolvierte eine Fliegerausbildung an der Luftkriegsschule Laubheim/Ulm. Diese Zeit brachte ihn auf die Focke-Wulf FW-190, und er wurde dem Jagdgeschwader 110 zugeteilt. Glücklicherweise blieb er wohlbehalten und entging dem Kampfeinsatz, wurde jedoch in amerikanische Gefangenschaft genommen. Im Jahr 1947 fand er dann den Weg zurück in seine Heimatstadt Barth.
Der Wandel der Erziehung
Die Erlebnisse von Günter Sass spiegeln einen bedeutenden Wandel in der Erziehung wider, der bis ins 20. Jahrhundert reichte. In ihrem Buch „Der lange Abschied von der Prügelstrafe: Körperliche Schulstrafen im Wertewandel 1870–1980“ beleuchtet die Autorin Sarina Hoff diesen Wertewandel und zeigt auf, wie sich die Gesellschaft nachhaltig von solchen Praktiken verabschiedete. Der Band, erschienen bei De Gruyter, bietet einen tiefen Einblick in die Geschichte der schulischen Disziplin und verdeutlicht, wie körperliche Bestrafungen im Laufe der Jahrzehnte an Bedeutung verloren haben.
Günter Sass verkörpert somit nicht nur die Erinnerungen einer vergangenen Ära, sondern auch das Leben und Lernen in einem sich wandelnden Deutschland. An seinem heutigen Ehrentag gebührt ihm Anerkennung für die Herausforderungen, die er gemeistert hat und die Einfluss auf sein weiteres Leben hatten.