Traumata der Stasi: Wie Väter und Kinder bis heute leiden
Erfahren Sie, wie die psychischen Folgen der Stasi-Haft Nachkommen betreffen und welche Erinnerungen aus Bautzen bestehen.

Traumata der Stasi: Wie Väter und Kinder bis heute leiden
Die Schicksale ehemaliger politischer Inhaftierter aus der DDR bleiben auch Jahre nach der Wiedervereinigung ein drängendes Thema. Insbesondere die psychologischen Folgen der Haft und der Stasi-Verfolgung stellen viele vor große Herausforderungen. Dies wird insbesondere am Beispiel von Victoria Matthies deutlich, die über die nachhaltigen Traumata ihres Vaters berichtet, der nach seiner Freikauf in der Bundesrepublik „einfach sich selbst überlassen“ wurde, ohne die nötige Therapie oder Hilfsmittel, um wieder ins Leben zurückzufinden. Oft wissen die Inhaftierten nicht, wie sie mit ihren Erlebnissen umgehen sollen, was die Rückkehr in ein normales Leben erheblich erschwert. Ein tragisches Beispiel ist der Vater von Matthies, der auch Jahre nach seiner Entlassung von Albträumen geplagt wird, in denen die Stasi immer noch an seinem Bett sitzt.
Besonders bedrückend ist, dass der Vater von Victoria Matthies bis 1988 von der Stasi beobachtet wurde, obwohl er bereits im Westen lebte. Dieses Gefühl der ständigen Überwachung, das weit über ein einfaches Empfinden hinausgeht, ist ein weiterer Beweis für die psychischen Narben, die diese Menschen davongetragen haben. Victoria beschreibt, dass zwischen ihr und ihrem Vater eine große Distanz herrschte, die sie auf die Konsequenzen von Haft und Verhören zurückführt. Es sei, als sei ein Teil ihres Vaters nie aus Bautzen herausgekommen. Ihre Versuche, ihn zu umarmen, fühlten sich an, als würde sie ein „sperriges Möbelstück“ umarmen, und der „Panzer aus Stahl“, den ihr Vater um sich herum aufgebaut hatte, machte es nahezu unmöglich, zu ihm durchzudringen. Die Schwierigkeiten, emotionale Nähe herzustellen, können nicht nur auf individuelle Erfahrungen zurückgeführt werden, sondern sind Teil eines größeren, kollektiven Traumas.
Die Traumas der politischen Verfolgung
Die psychischen Belastungen, denen die ehemaligen politischen Häftlinge ausgesetzt sind, sind enorm und vielfältig. Schätzungen zufolge variieren die Zahlen der politisch Verfolgten in der DDR zwischen 170.000 und über 300.000. Unterscheidet man die Verfolgungsphasen, so zeigt sich ein erschreckendes Bild: Ungefähr 127.000 Menschen litten zwischen 1945 und 1949 unter massiven Übergriffen und Extrembedingungen in Speziallagern und Gefängnissen der Sowjetunion, wobei viele nicht überlebten. In den folgenden Jahren verlagerten sich die Methoden der DDR-Staatssicherheit zunehmend auf psychologische Folter. Die Zersetzung als Strategie des MfS zielte darauf ab, das Selbstwertgefühl der Gegner zu untergraben und Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen zu zerstören.
Ein trauriger Effekt dieser Praxis sind die langanhaltenden psychischen Folgen, die bei den ehemaligen Inhaftierten festgestellt werden. heutzutage leiden viele noch an posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), und Studien zeigen, dass ein Drittel dieser Personen auch 26 Jahre nach der Wiedervereinigung an den Nachwirkungen ihrer Haft zu kämpfen hat. Auch die Nachkommen von politisch Verfolgten sind betroffen und zeigen erhöhte psychische Belastungen.
Gesellschafltiche Anerkennung der Opfer
Trotz dieser gravierenden Auswirkungen wird die gesellschaftliche Anerkennung der Opfer politischer Verfolgung in der DDR als gering wahrgenommen. Die Forschung zu den traumatischen Erlebnissen hat sich zwar weiterentwickelt, jedoch bleiben viele Erfahrungen und deren psychologische Konsequenzen unter dem Radar. Die Analyse der menschengemachten Typ-II-Traumatisierung in der politischen Unrechtshaft zeigt, dass das Angsterleben und Ohnmachtserleben der Betroffenen von den willkürlichen Handlungen ihrer Peiniger geprägt ist, die grundlegende Menschenrechte missachteten.
Die Stimme von Victoria Matthies und vielen anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, müssen gehört werden. Ihre Geschichten sind nicht nur individuelle Erlebnisse, sondern auch Teil eines kollektiven Gedächtnisses, das uns daran erinnert, wie wichtig es ist, das Gespräch über die Folgen der politischen Verfolgung und deren Auswirkungen auf zukünftige Generationen fortzuführen.
Für viele bleibt die Aufarbeitung der Vergangenheit eine große Herausforderung, in der es an Unterstützung und Verständnis fehlt. Die Erlebnisse können nicht einfach verdrängt werden, und das Bewusstsein für die anhaltenden Traumata, die mit den Fehlern der Geschichte verbunden sind, sollte in unserer Gesellschaft hoch gehalten werden.
Für weitere Informationen zu den psychischen Folgen politischer Verfolgung in der ehemaligen DDR lohnt sich ein Blick auf MDR, bpb und Klett-Cotta.