Einsam und enttäuscht: Warum junge Menschen der Demokratie den Rücken kehren

Deutschland - Die Einsamkeit unter jungen Menschen in Deutschland erreicht alarmierende Ausmaße, was eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung verdeutlicht. Laut der Untersuchung fühlen sich 10% der 16- bis 30-Jährigen „stark einsam“, während 35% von „moderater Einsamkeit“ berichten. Diese Gefühle sind eng verbunden mit einem generellen Misstrauen gegenüber der Politik und der Überzeugung, dass sie keine Veränderungen bewirken können. Die Studie befragte insgesamt 2.532 junge Menschen zu ihren Lebenszufriedenheit, Einsamkeitsgefühlen und ihrem politischen Engagement. Besonders auffällig ist die Unzufriedenheit, die mit der Demokratie in Deutschland einhergeht: 63% der sehr einsamen jungen Menschen sind unzufrieden mit der Demokratie, im Vergleich zu 41% bei ihren nicht einsamen Altersgenossen. Dies lässt darauf schließen, dass Einsamkeit nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt, das dringend angegangen werden muss, um die politische Teilhabe junger Menschen zu fördern. Zudem berichten viele Einsame, dass sie sich von der Politik übersehen fühlen, und 76% glauben, dass Politiker die Sorgen ihrer Generation nicht ernst nehmen.
Im Rahmen der Studie wurde eine wichtige Unterscheidung zwischen emotionaler und sozialer Einsamkeit getroffen, die unterschiedliche Ursachen und Auswirkungen hat. Emotionale Einsamkeit beschreibt den Mangel an engen Bezugspersonen, während soziale Einsamkeit aus einer unzureichenden Einbindung in soziale Netzwerke resultiert. Besonders betroffen sind junge Menschen ohne Erwerbstätigkeit, von denen ganze 75% unter starkem Einsamkeitsgefühl leiden. Junge Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren sind ebenfalls überproportional betroffen.
Einsamkeit als Herausforderung für die Demokratie
Die Konsequenzen der Einsamkeit könnten tiefgreifende Auswirkungen auf die demokratische Kultur haben. Experten warnen, dass die Entfremdung der jungen Generation von politischen Prozessen das Vertrauen in Demokratie und Politik untergraben könnte. Laut der Studie glaubt mehr als die Hälfte der stark einsamen Befragten, dass sie auf lokaler Ebene keine Veränderungen bewirken können. Der Soziologe Alexander Langenkamp von der Goethe-Universität Frankfurt führt an, dass Einsamkeit die Anfälligkeit für radikal-populistische Thesen erhöht, insbesondere bei Menschen mit negativen politischen Einstellungen. Diese Entwicklung könnte zu einer weiteren Radikalisierung führen und die Stabilität des politischen Systems gefährden.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus initiierte eine Aktionswoche unter dem Motto „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, um auf die Thematik aufmerksam zu machen. Bei einer Jahrestagung des Deutschen Ethikrates wurde die Zunahme von Einsamkeit als kritisches gesellschaftliches Problem diskutiert, das politische und soziale Teilhabe untergräbt. Die Corona-Pandemie hat die Situation weiter verschärft und eine Vielzahl von jungen Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Politische Beteiligung als Lösung
Die Studie zeigt ferner, dass politisches Engagement als Vorbeugung gegen soziale Einsamkeit wirken kann. Junge Menschen, die sich politisch beteiligen, erleben häufig ein Gefühl der Anerkennung und sozialen Zugehörigkeit. Dies könnte entscheidend sein, um das Vertrauen in die politischen Institutionen zurückzugewinnen und das Interesse an der Demokratie zu fördern. Die Notwendigkeit für niedrigschwellige Angebote zur politischen Teilhabe, sowohl analog als auch digital, wird von Experten als unabdingbar erachtet.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Einsamkeit im Kontext junger Menschen nicht nur ein individuelles Problem darstellt, sondern auch eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie in Deutschland birgt. Die Politik ist gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um den Einsamen Gehör zu schenken und ihnen eine Stimme zu geben. Denn ohne ein starkes gemeinschaftliches Gefühl und Vertrauen in die Politik könnte das langfristige Desinteresse an politischen Prozessen zunehmen.
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