Rituelle Gewalt: Wissenschaftliche Debatte unter Feuer beim MSB-Kolloquium

Am 2. Juni 2025 hielt Prof. Dr. Andreas Mokros an der UNI Med Berlin einen Vortrag über rituelle sexuelle Gewalt und deren kritische Reflexion.
Am 2. Juni 2025 hielt Prof. Dr. Andreas Mokros an der UNI Med Berlin einen Vortrag über rituelle sexuelle Gewalt und deren kritische Reflexion. (Symbolbild/NAG)

Berlin, Deutschland - Am 2. Juni 2025 hielt Prof. Dr. Andreas Mokros einen Vortrag vor über 200 Teilnehmenden beim MSB-Kolloquium. Er diskutierte in seiner Präsentation das Thema „Verdrängung, Wiedererinnern und rituelle sexuelle Gewalt“. Prof. Mokros, der an der FernUniversität in Hagen für Persönlichkeits-, Rechtspsychologie und Diagnostik zuständig ist und das DARTH LAB leitet, setzte sich kritisch mit den gegenwärtigen Debatten über rituelle sexuelle Gewalt auseinander und stellte die Methoden und Erkenntnisse der empirischen psychologischen Forschung auf den Prüfstand. Er kam zu dem Schluss, dass es in den letzten Jahrzehnten keine Hinweise auf die Existenz von ritueller sexueller Gewalt oder Techniken zur „Mind Control“ gebe, die von polizeilichen Ermittlungen oder wissenschaftlichen Studien corroboriert werden könnten. Die Diskussion um den Umgang mit Patient:innen, die von solchen Erlebnissen berichten, bleibt dabei besonders heikel.

In Deutschland gibt es eine öffentliche Debatte über sexuellen Kindesmissbrauch in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen, die sich derzeit stark in Massenmedien und offenen Briefen abspielt. Die Diskussion behandelt vor allem die Methodologie und Vorgehensweise bei empirischen Forschungsansätzen sowie die Rolle der Wissenschaftler:innen in diesem Kontext. So berichtete die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs über das Thema organisierte und rituelle Gewalt. In einem Forschungsprojekt, welches 2017 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gefördert wurde, wurde die Perspektive von Betroffenen untersucht. Allerdings sind frühere Versuche, dieses Thema zu beleuchten, häufig durch skandalöse Dynamiken in den 1990er Jahren in den USA geprägt gewesen.

Kritik an der Forschung und ihren Ergebnissen

Die Auseinandersetzung mit ritueller Gewalt wird auch durch eine kritische Haltung innerhalb der Fachwelt geprägt. Im März 2023 veröffentlichte die Fachgruppe Rechtspsychologie der DGPs eine Stellungnahme, die ein laufendes Forschungsprojekt über rituelle Gewalt scharf kritisierte. Die Kritikpunkte umfassten:

  • Unzureichende Dokumentation ritueller Gewalt durch Strafverfolgungsbehörden.
  • Unplausibilität von Betroffenenangaben zu Gewalt vor dem dritten Lebensjahr.
  • Vernachlässigung alternativer Erklärungen für Erinnerungen.
  • Mangelnde empirische Fundierung von Phänomenen wie Bewusstseinsspaltung.

Diese Einschätzungen verdeutlichen die Sorgen von Fachleuten, dass eine unreflektierte Darstellung ritueller Gewalt als Tatsache für vulnerable Patient:innen gefährlich sein könnte. Verschiedene Fachgruppen haben daraufhin Gegenstellungnahmen formuliert, um die Existenz von ritueller Gewalt nicht grundsätzlich zu in Frage zu stellen. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs äußerte Bedenken über die mögliche Diskreditierung von Betroffenen und Fachpersonen.

Öffentliche vs. Wissenschaftliche Diskussion

Ein gemeinsames Positionspapier von mehreren Fachgesellschaften wies darauf hin, dass die einseitigen Darstellungen, die in den Medien, wie dem SPIEGEL, veröffentlicht wurden, kritisch betrachtet werden müssen. Die Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) stellte klar, dass die Klärung der Existenz von ritueller Gewalt eine kriminologische Aufgabe ist und nicht oberflächlich durch öffentliche Debatten geregelt werden sollte. Die Wissenschaft sollte methodische Kritik und Diskurse in Fachzeitschriften statt über Massenmedien diskutieren.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen bleibt abzuwarten, wie sich die öffentliche Debatte weiter entfaltet und welche Auswirkungen sie auf die wissenschaftliche Praxis und den Schutz der Betroffenen haben wird. Das nächste MSB-Kolloquium wird im Wintersemester 2025 stattfinden, wobei das Thema der rituellen sexuellen Gewalt weiterhin eine zentrale Rolle spielen dürfte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die kritische Reflexion der aktuellen Diskussion über rituelle sexuelle Gewalt sowohl aus der Perspektive der Forschung als auch der Praxis eine wichtige Herausforderung darstellt. Die Diskussion um diese sensiblen Themen erfordert interdisziplinären Dialog und eine respektvolle Streitkultur, wie von der DGfS gefordert.

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Ort Berlin, Deutschland
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