Kamenz im Zwiespalt: Aberglaube gefährdet Kinderwohl, warnen Experten!

Kamenz fördert den Kinderschutzbund, während Debatten über Esoterik in der Medizin toben. Experten warnen vor Gefahren.
Kamenz fördert den Kinderschutzbund, während Debatten über Esoterik in der Medizin toben. Experten warnen vor Gefahren. (Symbolbild/NAG)

Kamenz, Deutschland - In der Stadt Kamenz wird der örtliche Kinderschutzbund jährlich mit mehreren zehntausend Euro unterstützt, um wichtige Infrastrukturprojekte wie den Erhalt eines Spielplatzes und den Betrieb eines Freizeittreffs zu finanzieren. Oberbürgermeister Roland Dantz spielt eine aktive Rolle in der Gemeinde und hat zu Vorträgen eingeladen, die im Rahmen einer Ausstellung zur 800-Jahr-Feier stattfanden. Diese Ausstellung widmet sich dem Thema Aberglaube und Magie, wobei Dantz in seinen Äußerungen vor einer Rückkehr zur Inquisition und dem Mittelalter warnt. Er fordert Toleranz und betont, dass jeder selbst entscheiden sollte, welche Behandlung er für seine Krankheit wählt. Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund der Debatte über pseudomedizinische Ansätze, die in der Region an Bedeutung gewinnen.

Die aktuellen Diskussionen werden stark von der pseudomedizinischen Bewegung „Germanische Neue Medizin“ (GNM) geprägt, die von Ryke Geerd Hamer begründet wurde. Diese Ideologie erfreut sich zunehmender Beliebtheit in sozialen Medien und Chatgruppen und wird von ihren Anhängern als ein Weg abgelehnt, der nicht auf wissenschaftlicher Grundlage beruht. Hamer, der 2017 verstarb, stellte die Behauptung auf, dass jede Krankheit durch seelische Konflikte verursacht werde, die gelöst werden müssen, um Gesundheit zu erlangen. Dies führt oft dazu, dass Betroffene medizinische Behandlungen ablehnen, was potenziell fatale Konsequenzen haben kann. Recherchen des Bayerischen Rundfunks haben gezeigt, dass viele Menschen, die dieser Bewegung anhingen, durch die Ablehnung konventioneller medizinischer Hilfe gestorben sind.

Kritik und Verantwortung

Die Vorsitzende des Landesverbands des Kinderschutzbundes Sachsen, Silke Brewig-Lange, äußert sich kritisch über den Vortrag, der Mitte Mai stattfand und sechs Stunden dauerte. Sie betont, dass insbesondere Kinder und junge Erwachsene besonderen Schutz benötigen und dass bei solchen Vortragsreihen nicht sichergestellt sei, dass gängige medizinische Standards eingehalten werden. Der Landesverband überlegt, den Ortsverband Kamenz auszuschließen, sollte keine Konsequenzen aus der Situation gezogen werden. Während des Vortrags gab es keine nennenswerte Kritik von den anwesenden Zuhörern, was die Besorgnis über den mangelnden Schutz für vulnerable Gruppen noch verstärkt.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) hat wiederholt auf die Notwendigkeit flächendeckender Kinderschutzstrukturen im Gesundheitswesen hingewiesen. Bei der 15. Jahrestagung der DGKiM Anfang Mai wurden große Versorgungslücken identifiziert. Viele Kliniken verfügen nur über sporadische Kinderschutzgruppen, und es fehlt an grundlegenden Kenntnissen über Kinderschutzmaßnahmen bei Fachkräften, die mit Kindern arbeiten. Experten fordern nicht nur die Einrichtung medizinischer Kinderschutzambulanzen, sondern auch ein umfassendes Screening, um Kindeswohlgefährdung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Die gesellschaftlichen Schäden von Kindheitstraumata betragen in Deutschland schätzungsweise mindestens elf Milliarden Euro jährlich, wobei ein erheblicher Teil davon auf das Gesundheitswesen entfällt. Misshandlungen in der Kindheit haben weitreichende negative Folgen im Erwachsenenalter, darunter Depressionen, Angststörungen und chronische Schmerzen. Daher ist es dringend erforderlich, dass gesamtgesellschaftliche Anstrengungen unternommen werden, um Misshandlungen von Kindern zu verhindern und die bestehenden Strukturen des Kinderschutzes zu verbessern.

Die Debatte um pseudomedizinische Ansätze wie die GNM erzeugt ein Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung des Einzelnen und den ethischen Verpflichtungen, die Schutzgruppen und medizinische Fachkräfte gegenüber schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen haben. Vor diesem Hintergrund ist ein engagierter Dialog über die Bedeutung evidenzbasierter Medizin und den Schutz von Kindern und Jugendlichen unerlässlich.

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Ort Kamenz, Deutschland
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