DDR-Tanzmusik und Widerstand: Die Kulturschlacht um den Lipsi!
DDR-Tanzmusik und Widerstand: Die Kulturschlacht um den Lipsi!
Lauchhammer, Deutschland - Am 12. Juli 2025 ist der Vorhang in Berlin gefallen – und das nicht ohne Aufsehen. Die „1. Tanzmusik-Konferenz Lauchhammer“, ein bedeutendes Event der DDR-Geschichte, das 1959 ins Leben gerufen wurde, erfährt im TD Berlin eine spannende Neuinterpretation. Die Recherchetheater-Gruppe Lunatiks hat die Tagungsunterlagen ausgewertet und bringt das Geschehen in einem doku-fiktionalen Reenactment auf die Bühne.
Die Tanzmusik-Konferenz wurde damals von der SED einberufen, um die sozialistische Unterhaltungskultur auf ein neues Level zu heben. Der Lipsi, ein Tanzstil, geboren aus dem Bestreben, ein deutsches Pendant zum amerikanischen Rock’n’Roll zu schaffen, sollte die schleichende Einflussnahme westlicher Musik auf das politische Bewusstsein der DDR-Bürger:innen eindämmen. Die Idee dazu kam von Walter Ulbricht, der mutig nach internationalem Ruhm strebte.
Der Lipsi und seine Ambitionen
Der Lipsi, erfunden von René Dubianski, kombiniert Walzertakte mit einem einzigartigen 6/4-Takt und wurde schnell als Paradebeispiel sozialistischer Nationalkultur gefeiert. Er sollte ursprünglich bis Mai 1959 in den Kulturhäusern der DDR Einzug halten. Während die Staatsmedien, allen voran der Parteiorgan „Neues Deutschland“, den neuen Tanz als modern und harmonisch lobten, blieb die Akzeptanz unter den Jugendlichen eher verhalten – Rock’n’Roll war klar bevorzugt. Trotz der Bemühungen der SED, den Lipsi populär zu machen, verschwand dieser Tanz nach kurzer Zeit in der Versenkung.
Was macht die Inszenierung so besonders? Sie bringt das Publikum direkt ins Geschehen der Konferenz, als Teilnehmende, die abstimmen und sich aktiv einbringen können. Fünf Schauspieler:innen schlüpfen in unterschiedliche Rollen und parodieren die damaligen Debatten. Damit wird nicht nur die Vergangenheit lebendig, sondern auch die Frage aufgeworfen: Kann Kunst tatsächlich von oben verordnet werden?
Ein Blick auf die Musikszene der DDR
Die Inszenierung thematisiert auch die Entwicklungen in der DDR-Kunst zwischen 1959 und 1989, einschließlich der Ausbürgerung von Wolf Biermann und die Verbote der Band Pankow. Unter dem Einfluss der SED-Regierung entstand ein ständiges Ringen um die musikalische Freiheit. Während die Beatmusik in den 60er-Jahren kurzfristig große Beliebtheit fand, wurden zahlreiche Gruppen wegen vermeintlicher Aggressionen verboten. Die SED sah in westlicher Musik eine Gefahr für die sozialistischen Ideale und versuchte, sie heimlich nach ihren Normen zu wandeln.
Der Auftritt westlicher Interpreten und das zunehmende Interesse an Rockmusik wurde schließlich nur noch stark reglementiert. So war es nicht ungewöhnlich, dass bei einem Bruce-Springsteen-Konzert in der DDR im Jahr 1988 rund 160.000 Fans zusammenkamen. Umso erstaunlicher war, dass die ersten Rockbands, wie die Puhdys, eine gewisse Freiheit in der Performance erlangten.
Die Frage, ob Musik und Kunst messbar und planbar sind, bleibt auch heute ein zentrales Thema. Es zeigt sich klar, dass wahre Kreativität nicht im Korridor politischer Agenda gedeihen kann, sondern die Rebellion und der kreativen Ausdruck stets ihren Platz finden werden, selbst in restriktiven Systemen. Und genau das bringt die Inszenierung eindrucksvoll auf die Bühne.
So bleibt der Abend eine spannende Reflexion über die Verflechtungen von Musik, Politik und Gesellschaft – und das Gleiche gilt für die Frage, wo unsere Kunst wirklich steht und hingeht. Ein interessanter Abend, der den Blick auf die Kulturgeschichte der DDR erweitert und die Menschen in dieser Zeit lebendig macht.
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Ort | Lauchhammer, Deutschland |
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