Schwerin gedenkt: Mahnfeier erinnert an die Pogromnacht von 1938
Am 9. November 2025 gedachten rund 200 Schweriner auf dem Schlachtermarkt der Opfer der Pogromnacht von 1938.

Schwerin gedenkt: Mahnfeier erinnert an die Pogromnacht von 1938
Am 9. November 2025 haben rund 200 Bürger in Schwerin den Opfern der Pogromnacht von 1938 mit einer Gedenkfeier gedacht. Diese Mahn- und Gedenkstunde auf dem Schlachtermarkt wurde vom „Arbeitskreis 9. November 1938“ organisiert. Unter dem Motto “Erinnerung und Verantwortung” thematisierte der Arbeitskreis die Fragen nach dem Verlust von Menschlichkeit und Solidarität und rief zu einem entschiedenen Auftreten gegen Antisemitismus und Rassismus auf. Dabei wurde die Verantwortung jedes Einzelnen besonders hervorgehoben.
Besonders eindringlich äußerte sich Karl-Georg Ohse vom Arbeitskreis, der die Notwendigkeit betonte, den Opfern und den Hinterbliebenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er wies darauf hin, dass Resignation und Rückzug, wie die Philosophin Hannah Arendt einst sagte, keine Optionen sind. Landesrabbiner Yuriy Kadnykov forderte die Anwesenden auf, aktiv zu einer solidarischen Gesellschaft beizutragen und erinnerte daran, dass der Pogrom zur Zerstörung der Schweriner Synagoge führte – ein Teil der systematischen Verfolgung, die in den Jahren vor 1938 ihren Anfang genommen hatte.
Ein dunkles Kapitel der Geschichte
Der Novemberpogrom, auch bekannt als „Reichskristallnacht“, bezeichnet die schrecklichen Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung im Deutschen Reich rund um den 9. November 1938. Unter dem Deckmantel der „Ordnung“ wurden Synagogen, Geschäfte und Wohnhäuser der Jüdinnen und Juden niedergebrannt und zerstört. Diese Ausschreitungen wurden maßgeblich von SA- und SS-Angehörigen durchgeführt und fanden in Anwesenheit einer zivilen Zuschauerschar statt, während die nationalsozialistische Führung, angeführt von Joseph Goebbels, zur Gewalt aufrief.
Als unmittelbarer Anlass gilt das Attentat auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath, das am 7. November 1938 stattfand. Die Reaktionen der NSDAP auf seinen Tod gaben den Ausschlag für die kollektiv organisierten Gewalttaten, die deutschlandweit etwa 1.406 Synagogen zur Zerschlagung und mehr als 7.500 Geschäfte zur Plünderung führten. Offiziell waren 91 Menschen die Opfer der Pogrome, aber die Dunkelziffer liegt bei über 1.500 Todesopfern. Zudem wurden etwa 30.000 jüdische Männer in Konzentrationslager deportiert. Diese Vorfälle markierten den Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und trugen zur Entstehung der Schoah bei.
Die Folgen und die Verantwortung in der Gegenwart
Die systematische Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung hatte bereits mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 begonnen, als das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ erlassen wurde, das etwa 2.500 jüdische Beamte ausschloss. Die Nürnberger Gesetze von 1935 machten Jüdinnen und Juden zu Bürgern zweiter Klasse. Nach den Pogromen mussten die jüdischen Geschäfte eine „Sühneleistung“ in Höhe von einer Milliarde Reichsmark zahlen, was die finanzielle Ausbeutung zusätzlich verschärfte.
Heute werden jüdische Einrichtungen in Deutschland weiterhin durch die Polizei bewacht, und die Angst vor Gewaltanschlägen bleibt bestehen, wie die Ereignisse in Halle und Oldenburg in den letzten Jahren gezeigt haben. Es ist wichtig, dass die Erinnerung an die Opfer lebendig bleibt und die aktuelle Gesellschaft vor der Wiederholung solcher Tragödien warnt.
Die Gedenkfeier in Schwerin ist ein kleiner, aber bedeutender Schritt in Richtung einer solidarischen und respektvollen Gesellschaft, die der Vergangenheit ins Auge blickt und Lehren für die Zukunft zieht. Denn wie es Landesrabbiner Yuriy Kadnykov treffend formulierte: “Jeder von uns hat die Verantwortung, aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus einzutreten.” Daher ist eine Gedenkveranstaltung nicht nur Erinnerung, sondern auch ein Appell an das Gewissen.
Für weitere Informationen über die Ereignisse der Pogromnacht können Sie bpb und ZDF besuchen.