Deutschlands ältester Polizeiseelsorger: Abschied nach 27 Jahren Dienst

Deutschlands ältester Polizeiseelsorger: Abschied nach 27 Jahren Dienst
In der Welt der Notfallseelsorge verabschiedet sich ein ganz Großer: Michael Kleemann, Deutschlands dienstältester Polizeiseelsorger, geht nach 27 Jahren in den Ruhestand. Der evangelische Pfarrer und Superintendent des Kirchenkreises Stendal hat mit seiner Arbeit nicht nur die Polizei, sondern auch zahlreiche Bürger in Krisensituationen tief geprägt. Am Ende dieses Monats wird er sein Amt aus Altersgründen abgeben. Kleemann hat über 30 Jahre Erfahrung als Notfallseelsorger und war in unzähligen Einsätzen tätig, unter anderem beim tragischen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt 2024, der das Land erschütterte. Seine Motivation, in den Dienst der Feuerwehr einzutreten, wurzelt in einem Autounfall, bei dem vier junge Menschen ihr Leben verloren. Ein Erlebnis, das ihn maßgeblich prägte und ihn dazu brachte, ein Nachsorgemodul für Einsatzkräfte und Unfallbeteiligte zu entwickeln.
Kleemann ist nicht nur einfühlsamer Begleiter in schweren Zeiten, sondern auch Vorreiter in der Notfallseelsorge in Sachsen-Anhalt. Er hat erkannt, wie wichtig professionelle Unterstützung bei der Überbringung von Todesnachrichten ist und bietet auch bei psychischen Belastungen, wie dem sogenannten „Post-Shooting-Trauma“, Unterstützung für Polizisten an. Ein von ihm mitgestalteter Betreuungserlass sorgt dafür, dass Polizisten nach belastenden Einsätzen automatisch betreut werden. „Das ist wichtig, denn die psychische Gesundheit der Einsatzkräfte muss oberste Priorität haben“, betont er. Am 22. August wird Otto-Fabian Voigtländer als Kleemann Nachfolger eingeführt, während Werner Meyknecht künftig die Polizeiseelsorge für die Polizeiinspektion Halle übernimmt.
Die Rolle der Notfallseelsorge in Krisenzeiten
Doch was ist Notfallseelsorge eigentlich? Ein Blick auf die Aufgaben und Einsatzbereiche zeigt die Bedeutung dieser Dienstleistung. Notfallseelsorger sind bei Ereignissen wie Amokfahrten, schweren Verkehrsunfällen oder Katastrophen im Einsatz, um Angehörige und Augenzeugen zu unterstützen. Bei der Amokfahrt in Mannheim kamen vor kurzem zwei Menschen ums Leben, was einmal mehr zeigt, wie dringend diese Unterstützung notwendig ist. Laut Deutschlandfunk Kultur gehört die Mobilisierung von Notfallseelsorgern zu den ersten Maßnahmen bei solchen Vorfällen. 2022 wurden in Deutschland über 30.000 Einsätze erforderlich, was die hohe Nachfrage nach diesen Diensten unterstreicht.
Die systematische Organisation der Notfallseelsorge feierte bereits ihr 30-jähriges Bestehen und wurde 1991 in Deutschland etabliert – ein echter Meilenstein. Über 8.000 Mitarbeitende sind bundesweit rund um die Uhr für psychosoziale Hilfsangebote bereit. Und das Beste: Unabhängig von ihrer religiösen Überzeugung stehen sie den Menschen zur Seite, ohne ein missionarisches Anliegen zu verfolgen. Die Zusammensetzung der Teams könnte sich in Zukunft auch verändern, da die religiöse Vielfalt in Deutschland zunimmt. Muslime und humanistische Notfallseelsorger sind bereits aktiv, um kulturelle und sprachliche Barrieren abzubauen und die Unterstützung der Betroffenen zu verbessern.
Psychosoziale Notfallversorgung: Ein zentraler Ansatz
Die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Philosophie dieser Versorgung basiert auf der Aktivierung personaler und sozialer Ressourcen der Betroffenen. Frühzeitige psychosoziale Unterstützung soll verhindern, dass Menschen an den Folgen von traumatischen Erlebnissen leiden. Laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wurde ein Konsensus-Prozess ins Leben gerufen, um die Qualität der PSNV sicherzustellen. Insgesamt wurden 31 Qualitätsstandards und Leitlinien verabschiedet, um die Unterstützung zu optimieren und den Betroffenen bestmöglich zur Seite zu stehen.
In einer Zeit, in der immer mehr Menschen von solchen belastenden Ereignissen betroffen sind, wird die Arbeit von Menschen wie Michael Kleemann und den zahlreichen Teams der Notfallseelsorge unverzichtbar. Klare Strukturen und jede Menge Empathie – das sind die Zutaten, die diesen Dienst so besonders machen. Ihr Engagement und ihre Präsenz in Krisensituationen tragen dazu bei, dass die Menschen die nötige Unterstützung erhalten und nicht alleine mit ihrem Schmerz dastehen.