Erinnern und Diskutieren: Jüdische Ärztinnen im Nationalsozialismus

Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover, Deutschland - Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) laden am 11. Juni 2025 zu einer bedeutenden Veranstaltung ein, die der Erinnerung an die während des Nationalsozialismus verfolgten jüdischen Ärztinnen und Ärzte gewidmet ist. In dieser Diskussion sollen Verantwortung in der Medizin und die Bedeutung der Erinnerungskultur thematisiert werden. Die Veranstaltung findet von 17:00 bis 20:00 Uhr im Hörsaal H, Gebäude J1, der MHH statt, und der Eintritt ist kostenfrei. Interessierte können sich unter mehr.verena@mh-hannover.de anmelden. Zudem wird eine Online-Teilnahme möglich sein, mit einem Link, der auf der Webseite der DGVS veröffentlicht wird.
Die DGVS hat mit ihrem Projekt „Gegen das Vergessen“ die Aufgabe übernommen, an die betroffenen jüdischen Mitglieder zu erinnern. Die Gesellschaft hatte 1932 bereits 520 Mitglieder, von denen 120 innerhalb von zwei Jahren aufgrund der nationalsozialistischen Rassenpolitik ausgeschlossen wurden. Dies ist nur ein Beispiel für die weitreichenden Folgen der diskriminierenden Gesetzgebung, der viele jüdische Ärzte zum Opfer fielen. Schätzungsweise wurden rund ein Viertel der 8.000 deutschen jüdischen Ärzte in der Schoa ermordet. Das Schicksal des Kinderarztes Dr. Rudolf Fromm, der 1938 von SA- und SS-Leuten aus seiner Praxis vertrieben und in das KZ Dachau deportiert wurde, verdeutlicht die Dramatik dieser Verfolgung. Nach schwerem Leid emigrierte er 1939 in die USA und konnte dort eine neue Praxis eröffnen, bevor er 1946 an den Folgen seines Schicksals starb.
Diskussionsrunde und Vorträge
Im Rahmen der Veranstaltung werden Experten auf unterschiedlichen Gebieten zu Wort kommen. Die Diskussionsrunde wird von Prof. Dr. Thomas Beddies von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Prof. Dr. Sabine Salloch vom MHH-Institut für Ethik, Geschichte und Philosophie der Medizin sowie Prof. Dr. Andreas Neubauer von der Philipps-Universität Marburg geleitet. Vorträge halten unter anderem Dr. Harro Jenss, Archivar der DGVS, und Dr. Friederike Klein von der MHH-Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie. Prof. Dr. Beddies wird zudem über die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ sprechen.
Die MHH setzt sich aktiv gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Rassismus ein. Blickt man auf die Entwicklung der Erinnerungskultur, ist es wichtig zu betonen, dass sie in Deutschland seit den 1980er Jahren verstärkt thematisiert wird, auch wenn es anfangs erheblicher gesellschaftlicher Anstrengungen bedurfte, um die NS-Vergangenheit aufzubereiten. In den letzten Jahren wurde ein vermehrtes Engagement von medizinischen Fachgesellschaften beobachtet, die sich für die Erinnerung an jüdische Ärzte einsetzen und die Verantwortung ihrer Mitglieder anerkennen.
Aktuelle Herausforderungen und die Rolle der Erinnerungskultur
Trotz der Fortschritte bleibt Antisemitismus in der heutigen Gesellschaft ein dringendes Problem. Der Zentralrat der Juden fordert einen Antisemitismusbeauftragten auf Bundesebene, um Strategien zur Bekämpfung von Judenhass zu entwickeln. Der Anstieg antisemitischer Straftaten, auch unter jungen Muslimen und in der Mitte der Gesellschaft, verdeutlicht die Notwendigkeit, die Lehren aus der Geschichte aufrechtzuerhalten. Besonders die jüngste Diskussion um die israelische Erinnerungskultur und ihre Verbindung zur deutschen Erinnerungstradition zeigt, dass eine differenzierte Betrachtung der Vergangenheit sowohl notwendig als auch herausfordernd ist. Die Kritik an Israel wird teils als antisemitisch interpretiert, was die Auseinandersetzung mit den dunklen Kapiteln der Geschichte belastet.
Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus sowie die Würdigung der jüdischen Ärzte sind essenziell für den Erhalt der Menschenwürde und die Sensibilisierung der Gesellschaft für Diskriminierung und Ausgrenzung. Nur durch eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte kann die Medizin und die Gesellschaft als Ganzes aus der Vergangenheit lernen und ihre Werte wahren, um zukünftigen Unterdrückungen entgegenzuwirken. Eine ständige Reflexion über persönliche und gesellschaftliche Identitäten ist notwendig, um die wahre Bedeutung von Zivilcourage und Respekt im Alltag zu fördern.
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Ort | Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover, Deutschland |
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