Machtmissbrauch im Sport: Sind unsere Idole noch vertrauenswürdig?

Maike Backhaus diskutiert Machtmissbrauch im Sport bei der neunten Vechtaer Trust Lecture am 6. Juni 2025.
Maike Backhaus diskutiert Machtmissbrauch im Sport bei der neunten Vechtaer Trust Lecture am 6. Juni 2025. (Symbolbild/NAG)

Vechta, Deutschland - Am 6. Juni 2025 stand die neunte Vechtaer Trust Lecture auf dem Programm, geleitet von Univ.-Prof. Dr. Martin K.W. Schweer, dem Leiter des Zentrums für Vertrauensforschung. Die Veranstaltung widmete sich drängenden Themen wie Machtmissbrauch und Gewalt im Profisport. Die Investigativjournalistin Maike Backhaus, die für renommierte Medien wie CORRECTIV, die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel arbeitet, beleuchtete in ihrem Vortrag vor allem die intransparenten Machtstrukturen und den immense Konkurrenzdruck, unter dem Athletinnen und Athleten stehen, sowie die damit einhergehende physische und psychische Gewalt im Sport. Backhaus drängt auf eine offene Auseinandersetzung in Sportverbänden und Vereinen, um stärkere Schutzmaßnahmen gegen Machtmissbrauch zu etablieren, denn das Thema hat durch fortdauernde Berichte von Missbrauch auch 2025 nicht an Brisanz verloren.

Die Verantwortung der Akteure im Profisport zur Aufdeckung und Verhinderung solcher Missstände wurde ebenfalls hervorgehoben. Dr. Schweer betonte die Notwendigkeit, Trainer und Führungspersonen zu sensibilisieren und deren Einfluss auf die Vereinsstrukturen kritisch zu hinterfragen. Die Vortragsreihe zielt darauf ab, einen Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern, indem Vertrauen und Misstrauen in sozialen Kontexten betrachtet werden. Vorträge von anderen Experten, die sich mit Vertrauen in verschiedenen Bereichen wie Gesundheitssystem und Politik auseinandersetzen, ergänzen dieses interdisziplinäre Format.

Expertise und Forschung

Die Dringlichkeit solcher Themen wird durch die umfangreiche Forschung zum Thema sexualisierte und interpersonale Gewalt am Sporthochschule Köln untermauert. Professorin Dr. Bettina Rulofs hat seit 2004 systematisch Machtmissbrauch im Sport untersucht und festgestellt, dass sowohl psychische als auch physische Gewalt weit verbreitet sind. Die Erhebung „Schweigen schützt die Falschen“ zeigt, dass viele Betroffene oft keinen Gehör finden und der Sport somit pflichtbewussten Grenzüberschreitungen ausgesetzt ist. Vor allem die Abhängigkeit zwischen Athlet*innen und deren Trainern führt häufig zu einem Missbrauch von Macht.

In einer Pilotstudie aus 1997 wurde der organisierte Sport erstmals mit dem Thema Gewalt gegen Frauen konfrontiert. Diese Erkenntnisse sind nach wie vor relevant: 70 % der Sportler*innen erlebten in einer Befragung von 2020 Gewalt im Vereinssport, und ein Viertel von ihnen berichtete von sexualisierter Gewalt. Trotz zahlreicher Initiativen zur Prävention, wie der Kampagne des Landessportbundes NRW zur Sensibilisierung von Vereinen, bleibt der Widerstand gegen solche Themen in vielen Institutionen bestehen.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Aktuelle Berichte über neue Fälle von sexualisierter Gewalt beleuchten, dass das Problem weiterhin besteht. Besonders ehemalige Turnerinnen aus Stuttgart und Mannheim haben psychische Gewalt und Schikane durch eine Trainerin dokumentiert. Rulofs und andere Fachleute äußern Enttäuschung über die fortdauernden Herausforderungen in der Sportlandschaft. Immer öfter sehen Betroffene die Medien als einzige Möglichkeit, um auf ihre Situationen aufmerksam zu machen.

Die schleichenden Veränderungen zeigen jedoch auch Fortschritte. Unterstützungsangebote wie der „Fonds sexueller Missbrauch“ ermöglichen betroffenen Athlet*innen, Anträge auf finanzielle Hilfe zu stellen, auch wenn die Bearbeitung oft als langsam und unzureichend kritisiert wird. Der „Safe Sport e. V.”, der seit 2023 aktiv ist, sowie ein geplantes Zentrum für Safe Sport zielen darauf ab, interpersonale Gewalt systematisch aufzuarbeiten und Betroffenen zu helfen. Ein neuer „Safe Sport Code“ soll in Zukunft Übergriffe rechtssicher ahnden und ist für Dezember 2024 angedacht.

Die Verabschiedung solcher Regelungen wird von vielen als notwendig erachtet, um den Schutz vor sexualisierter Gewalt im Sport zu gewährleisten. Ein bekanntes Beispiel für die Herausforderungen der Aufarbeitung ist der Fall des ehemaligen Schwimmers Jan Hempel, der 600.000 Euro Entschädigung vom deutschen Schwimmverband erhielt.

Insgesamt zeigt sich, dass sowohl der Dialog über Machtmissbrauch im Sport als auch konkrete Maßnahmen zur Prävention und Aufarbeitung notwendig sind, um die Sicherheit der Athlet*innen nachhaltig zu verbessern und ein Umfeld zu schaffen, in dem Vertrauen wieder Fuß fassen kann. Die Vechtaer Trust Lecture und die kontinuierliche Forschung an der Deutschen Sporthochschule Köln sind dabei wesentliche Schritte in die richtige Richtung.

Für weiterführende Informationen zu diesen Themen und zur Veranstaltung besuchen Sie die Links: Universität Vechta, Deutsche Sporthochschule Köln, Deutschlandfunk.

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Ort Vechta, Deutschland
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