Etgar Keret: Der kreative Kampf gegen die seelische Krise in Israel

Jerusalem, Israel - Der israelische Schriftsteller Etgar Keret zeigt sich perplex über die politischen Pläne von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, insbesondere im Kontext des anhaltenden Konflikts in Israel. In einer besonders einprägsamen Veranstaltung, bei der er gemeinsam mit einem belarussisch-israelischen Rapper auftritt, will Keret auf die psychosozialen Probleme der Gesellschaft aufmerksam machen. Buchhandlungen in Israel haben seit Beginn des Krieges „Eiserne Schwerter“ unter einem drastischen Rückgang an Kunden zu leiden, was die bedrückende Stimmung im Land widerspiegelt. Laut Keret ist auch die Frage nach der psychischen Gesundheit der Anwesenden ein provokantes Thema: Mit einer Frage, ob jemand im Publikum keinen Bezug zu posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) hat, wird nicht nur das Schicksal der Einzelnen angesprochen, sondern auch die kollektive Traumaerfahrung der Gesellschaft. Das Ergebnis ist ernüchternd – nur wenige Hände gehen nach oben, was deutlich macht, wie weit verbreitet die Folgen von Krieg und Gewalt sind. Der Rapper, 150 Kilo schwer und reich an Tattoos, steht dabei als auffallende Figur auf der Bühne.
Die aktuelle Lage in Israel ist nicht nur von politischen Spannungen geprägt, sondern auch von einer tiefen psychosozialen Krise. Ein Bericht von Israels Rechnungsprüfer Matanyahu Engelman legt dar, dass schätzungsweise drei Millionen Israelis unter den Symptomen von PTBS, Depressionen oder Angstzuständen leiden. Überraschenderweise erhalten nur 1% dieser Betroffenen tatsächlich psychologische Hilfe. Trotz der großen Anzahl dringend benötigter Behandlungen war das Gesundheitsministerium nicht in der Lage, auf den Anstieg an Anfragen nach psychologischer Unterstützung gerecht zu werden. Wartezeiten für psychiatrische Behandlungen können bis zu sechs Monate betragen, und viele wissen nicht einmal, dass sie Anspruch auf Hilfe haben. Diese Umstände trafen besonders freiwillige Helfer der Notfallorganisation ZAKA und Überlebende der Nova-Party-Tragödie.
Die Auswirkungen des Konflikts auf die psychische Gesundheit
Der Angriff der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober hat die psychische Gesundheit der Bevölkerung im Land stark beeinträchtigt. Viele Israelis haben persönliche Verbindungen zu den Opfern von Terrorsituationen, was die psychosoziale Belastung weiter verstärkt. Das Krisentelefon der Organisation NATAL verzeichnet mittlerweile im Durchschnitt 1.200 Anrufe pro Tag. Gesundheitsdienstleister wie Clalit Health Service versuchen, sich auf die außergewöhnlichen Anforderungen der Situation einzustellen, indem sie Callcenter und spezialisierte Mental Health Center aufbauen. Ran Balicer betont, dass die derzeitige Krise aufgrund ihrer Intensität und ihrer langfristigen Auswirkungen auf die Gesellschaft außergewöhnlich sei – weit über die Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001 hinausgehend.
Trotz aller Bemühungen bleibt die psychiatrische Versorgung in Israel hinter den Erwartungen zurück. Die Verteilung der psychiatrischen Dienste führt oft zu Versorgungslücken, und es mangelt an Lösungen, um die Bedürfnisse der betroffenen Menschen adäquat zu erfüllen. Engelman bemängelt, dass das aktuelle psychiatrische Versorgungssystem während der intensiven Kampfhandlungen zusammengebrochen ist und der Mangel an Behandlung die Symptome der Betroffenen weiter verschärfen könnte. Angesichts dieser alarmierenden Situation fordert Engelman sowohl umfassende als auch langfristige Lösungen, die auch die erforderlichen finanziellen Mittel berücksichtigen.
Inmitten dieser Herausforderungen bleibt die Diskussion um die psychosoziale Gesundheit der Bevölkerung drängend und unvermeidlich. Die Bereitschaft der Gesellschaft, sich den schmerzhaften Themen von PTBS und den Folgen des Kriegsgeschehens zu stellen, wird von Künstlern wie Keret aktiv gefördert und macht deutlich, dass auch Kultur eine Rolle im Heilungsprozess spielen kann.
Für weiterführende Details und Informationen zu den psychischen Gesundheitsressourcen in Israel können Sie folgende Artikel lesen: Süddeutsche, Fokus Jerusalem, und Ärzteblatt.
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Ort | Jerusalem, Israel |
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