Erfurt gedenkt: 50 Jahre nach brutalen Ausschreitungen gegen Algerier
Erfurt gedenkt der rassistischen Ausschreitungen von 1975, die gegen algerische Vertragsarbeiter gerichtet waren.

Erfurt gedenkt: 50 Jahre nach brutalen Ausschreitungen gegen Algerier
In Erfurt wird in diesen Tagen ein dunkles Kapitel der deutschen Vergangenheit lebendig, denn vor 50 Jahren, im August 1975, entlud sich massiver Rassismus in einer nie dagewesenen Form. Damals jagten bis zu 300 junge Erfurter über drei Tage hinweg 25 algerische Vertragsarbeiter durch die Innenstadt und verübten brutale Übergriffe, die für viele der Flüchtenden in den Krankenhäusern endeten. Diese Ausschreitungen gelten als die ersten ihrer Art in Deutschland nach 1945 und zeigen, wie tief Rassismus selbst in einer vermeintlich antifaschistischen Gesellschaft verwurzelt war. Deutschlandfunk berichtet, dass die Gewalt durch erfundene Behauptungen über angebliche Vergewaltigungen ausgelöst wurde, die die Bevölkerung gegen die algerischen Arbeiter aufstachelten.
Vom 10. bis 13. August brach das Chaos in Erfurt aus. Rassistischen Gerüchte und Missverständnisse führten zu einer Welle der Aggression, die nicht nur physische Gewalt gegen die Arbeiter ausübte, sondern auch die gesellschaftlichen Spannungen sichtbar machte, die in der DDR mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt wurden. Verschiedene Berichte, unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung, heben hervor, dass die SED-Regierung diese Vorfälle als unangenehm empfindlich betrachtete und daher die Ereignisse weitgehend vertuschte.
Ein Blick auf die Hintergründe
Aber was gab es wirklich für Hintergründe? In der DDR war die Notwendigkeit an Arbeitskräften so groß, dass man im April 1974 ein Abkommen zur Entsendung algerischer Arbeiter unterzeichnete. Zwischen 1974 und 1984 kamen über 8.000 algerische Migranten in die DDR, um in der Kohle- und Baustoffindustrie zu arbeiten. Diese Männer lebten unter eingeschränkten Bedingungen in zentralen Wohnheimen und hatten geringen Kontakt zur lokalen Bevölkerung. Historiker schlagen vor, dass diese Isolation und die vorherrschenden rassistischen Denkmuster, trotz des offiziellen Antifaschismus der DDR, einen Nährboden für diese Ausschreitungen bildeten. n-tv hebt hervor, dass die DDR-Sicherheitsbehörden während der Ereignisse Ermittlungen einleiteten, die jedoch kaum ernsthaft verfolgt wurden.
Am 10. August kam es zu ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen, und die Polizei sah sich gezwungen, einzugreifen, um die algerischen Arbeiter zu schützen. Doch die offiziellen Stellen schienen wenig Interesse daran zu haben, Rassismus als gesellschaftliches Problem zu thematisieren. Nur fünf Personen wurden letztendlich wegen ihrer Rolle in den Ausschreitungen verurteilt. Diese Haltung führte dazu, dass viele Spannungen und Konflikte in der breiten Öffentlichkeit nicht zur Debatte standen, und Rassismus als Phänomen in der DDR kaum wahrgenommen wurde.
Ein Gedenken, das überfällig ist
Im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestag der rassistischen Ausschreitungen in Erfurt finden am 10. und 11. August 2025 diverse Erinnerungsveranstaltungen statt, organisiert von Institutionen wie der Universität Erfurt und dem Erinnerungsort Topf & Söhne. Diese Initiativen sind ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft bereit ist, sich mit dieser schmerzhaften Vergangenheit auseinanderzusetzen und die Opfer nicht zu vergessen.
In der Öffentlichkeit wird zunehmend erkannt, dass Rassismus nicht nur eine Frage des individuellen Verhaltens ist, sondern tief eingewurzelte gesellschaftliche Strukturen betrifft. Daher sind solche Gedenktage notwendig, um die Stimmen der Betroffenen zu hören und aus der Geschichte zu lernen. Wenn wir auf die Geschehnisse in Erfurt zurückblicken, wird eines deutlich: Es ist höchste Zeit, sich offen mit Rassismus und Diskriminierung auseinanderzusetzen – nicht nur um der Erinnerungen willen, sondern um eine bessere Zukunft zu schaffen.