Aggression in Kliniken: Pflegepersonal kämpft gegen wütende Patienten

Neubrandenburg, Deutschland - Immer häufiger sehen sich medizinisches und pflegerisches Personal in Notaufnahmen mit aggressivem Verhalten von Patienten und Angehörigen konfrontiert. Dies geht aus Berichten der Chefärztin der Zentralen Notaufnahme am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg, Dr. Regina Tanzer, hervor. Sie schildert, dass täglich zwischen 120 und 130 Patienten behandelt werden, was auf über 41.000 Patienten jährlich hinausläuft. Während dieser Zeit sind Mitarbeiter oft Beleidigungen, Drohungen und sogar körperlichen Angriffen ausgesetzt; so berichtete ein Kollege, dass ein geworfener Feuerlöscher ihn verletzte. Diese Aggressionen sind häufig mit Alkohol- oder Drogenkonsum verbunden.
Die Situation in den Notaufnahmen reflektiert gesellschaftliche Probleme wie den Ärztemangel und den Alkoholmissbrauch. Patienten bringen steigende Forderungen mit, die nicht immer im Rahmen der Behandlungsaufgaben einer Notaufnahme liegen. Besonders die Wartezeiten, die während und nach der Corona-Pandemie zugenommen haben, sind ein wesentlicher Auslöser für die steigende Aggressivität.
Gewalt und Aggression im Gesundheitswesen
Beatrice Tschorn, Pflegedienstleiterin am DRK-Krankenhaus Neustrelitz, bestätigt in ihren Beobachtungen einen Anstieg von Drohungen und Beleidigungen. Am Kreiskrankenhaus Demmin sind verbale Entgleisungen zwar häufig, körperliche Aggressionen jedoch selten. Dennoch gab es Vorfälle, die einen Polizeieinsatz erforderte, beispielsweise der Fall eines psychisch beeinträchtigen Patienten mit einer Schusswaffe.
Um die Sicherheit der Mitarbeiter zu erhöhen, setzen Einrichtungen auf verschiedene Schutzmechanismen. Dazu gehören Deeskalationstrainings, die in vielen Kliniken angeboten werden, sowie technische Innovationen wie Videoüberwachungen. Im DRK-Krankenhaus Neustrelitz werden Trainings, Workshops und Krisengespräche zur Gewaltprävention und Selbstschutz in rauen Arbeitsumgebungen organisiert.
Das Müritz-Klinikum plant in naher Zukunft regelmäßige Fortbildungen zu diesen Themen. Außerdem könnten strukturierte Warte- und Behandlungsbereiche dazu beitragen, Konflikte zu entschärfen. Derzeit kämpft das Klinikum um Fördermittel für den Neubau einer solchen Einrichtung. Nachts sind Wachschutz-Mitarbeiter in der Notaufnahme anwesend, um die Lage zu beruhigen.
Deeskalationstrainings im Gesundheitswesen
Die Bedeutung von Deeskalationstrainings wird zunehmend anerkannt. Diese sind etabliert und erfreuen sich an Beliebtheit, haben jedoch keine einheitlichen Standards in Deutschland. Der „Netzwerk Aggressionsmanagement im Gesundheits- und Sozialwesen“ (NAGS – Deutschland) hat in Zusammenarbeit mit NAGS Österreich und NAGS Schweiz eine Leitlinie zur Planung und Durchführung von Trainings im Aggressions- und Deeskalationsmanagement erarbeitet. NAGS – Deutschland berichtet, dass die Trainings Mitarbeitende befähigen, mit Aggressions- oder Gewaltereignissen umzugehen und gewaltpräventiv zu handeln.
Die Trainings nach der NAGS-Leitlinie sollen sicherstellen, dass alle Beschäftigten in diesem Sektor die erforderlichen Fähigkeiten zur frühzeitigen Konflikterkennung und -reaktion entwickeln. Dabei werden verbale und nonverbale Techniken gelehrt, die die Kommunikation fördern und Aggressionen reduzieren können. Ein systematisches Deeskalationsmanagement ist Teil eines Gewaltpräventionskonzepts, das für die Aufrechterhaltung eines sicheren Arbeitsumfelds unerlässlich ist. ASU – Arbeitsmedizin fügt hinzu, dass Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht haben und geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, einschließlich der Implementierung von Deeskalationstrainings.
In Anbetracht der Studie zu hohen Raten von Gewalt am Arbeitsplatz im Gesundheits- und Sozialbereich ist der Ruf nach einem umfassenden Deeskalationsmanagement vor dem Hintergrund steigender Aggressionen nicht nur nachvollziehbar, sondern zwingend erforderlich. Die Entwicklungen in den Kliniken der Region machen deutlich, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht.
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Ort | Neubrandenburg, Deutschland |
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