Stigmatisierung gefährdet Hilfe: Psychisch Kranke in der Diskussion

Der Artikel behandelt die Stigmatisierung psychisch Erkrankter in Deutschland und Kritiken an einem geplanten Register für diese Personen. Er beleuchtet die Forderungen von CDU-Politikern sowie Expertenwarnungen vor negativen Auswirkungen und der Notwendigkeit frühzeitiger Unterstützung.
Der Artikel behandelt die Stigmatisierung psychisch Erkrankter in Deutschland und Kritiken an einem geplanten Register für diese Personen. Er beleuchtet die Forderungen von CDU-Politikern sowie Expertenwarnungen vor negativen Auswirkungen und der Notwendigkeit frühzeitiger Unterstützung. (Symbolbild/NAG)

Magdeburg, Deutschland - Der CDU-Politiker Carsten Linnemann hat kürzlich ein umstrittenes Anliegen geäußert: die Schaffung eines Registers für psychisch erkrankte und straffällig gewordene Menschen. Dieser Vorschlag kam nach den tragischen Anschlägen in Hamburg, Aschaffenburg und Magdeburg und wirft erhebliche ethische Fragen auf. Kritiker warnen vor einer Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die bereits in Deutschland keinen einfachen Stand haben. Laut Tagesspiegel sind psychisch Erkrankte oftmals über ihre Erkrankungsphasen hinaus stigmatisiert.

Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer, hat Linnemanns Forderung als rückständig kritisiert. Sie erklärt, dass die Instrumentalisierung von Einzeltaten dazu führen kann, dass alle psychisch Erkrankten unter Generalverdacht stehen. Studien zeigen, dass nur etwa 2% der allgemeinen Bevölkerung gewaltbereit sind, während dieser Wert bei psychisch Erkrankten auf 4% ansteigt. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass über die Hälfte der registrierten Personen mit „psychischen und Verhaltensstörungen“ nicht gewalttätig sind.

Die Gefahren der Stigmatisierung

Die negativen Auswirkungen der Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen sind weitreichend. Notwendige Hilfesuchende scheuen sich oft, Unterstützung in Anspruch zu nehmen, aus Angst davor, geächtet zu werden. Ärzteblatt betont, dass viele Betroffene sich ausgegrenzt fühlen, was den Druck und das Risiko einer Chronifizierung ihrer Erkrankung erhöht. Die Stigmatisierung wird hier als „zweite Krankheit“ bezeichnet, die die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigt.

Besonders alarmierend ist die in den letzten Jahren zunehmend festgestellte Hilfesuche bei psychischen Erkrankungen. Laut netzpolitik hatten im Jahr 2023 über 40 Prozent der gesetzlich versicherten Erwachsenen in Deutschland eine Diagnose. Dieser Anstieg könnte auf eine gesteigerte Hilfesuche bei Problemen wie Sucht, Depressionen oder psychotischen Symptomen hindeuten.

Polizeiliche Erfassung und deren Folgen

Der Vorschlag zur Schaffung eines Registers wird zusätzlich kompliziert durch die bestehende Praxis der polizeilichen Datenspeicherung. Einzelheiten zu psychischen Erkrankungen werden bereits in „personengebundenen Hinweisen“ (PHWs) erfasst, und es gibt Bestrebungen, diese Informationen zur Sicherheit der Polizisten und Betroffenen zu nutzen. Wenn allerdings PHWs ohne notwendigen ärztlichen Nachweis vergeben werden, geschieht dies oft auf fragwürdiger Grundlage. Dies belegen Berichte über mindestens 3.035 Fällen unsachgemäßer Vergaben in der Vergangenheit.

Die Forderung, stattdessen in die Verbesserung von Behandlung und Prävention zu investieren, wird von weitreichenden Fachleuten unterstützt. Physiologin Elisabeth Dallüge hebt hervor, dass es keinen klaren Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und Straftaten gibt, ein Punkt, der oft in der Debatte vergessen wird. Zudem ist die Ausbildung von Polizeibeamten im Umgang mit psychisch Erkrankten unzureichend, was die Situation weiter verschärfen könnte.

Die aktuellen Bestrebungen in der Politik zur Stigmatisierung und Errichtung von Registern für psychisch Erkrankte stellen somit nicht nur eine potenzielle Verletzung von Menschenrechten dar, sondern untergraben auch die dringend notwendige gesellschaftliche Unterstützung für psychisch Erkrankte und deren Angehörige.

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Ort Magdeburg, Deutschland
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